Osterholzer Anzeiger vom 20.05.2009

„Für uns ist der Mast kein Thema mehr"

Streit um Turm geht in die nächste Runde

von Ralf Rospek

 

Ritterhude. „Dem Landkreis schlottern die Knie", ist sich Kurt Kiwatrowski sicher. Er und seine Anwälte sind sehr optimistisch, noch in diesem Jahr ein Urteil zum Mobilfunkmast in der Rohwedderstraße im Gewerbegebiet zu bekommen und damit seinem Ziel näher zu kommen: „Der Mast muss weg!“

Am 22. April 2007 rollten auf dem Grundstück einer großen Bäckerei die Baufahrzeuge an und errichteten einen 40 Meter hohen Funkmast im Auftrag des Mobilfunkanbieters O2. Kiwatrowski, Bauunternehmer im Ruhestand, der direkt nebenan wohnt, spricht noch heute von einer „Nacht- und Nebelaktion". Es habe keinerlei Informationen im Vorfeld gegeben. Auch seien keine Bauschilder aufgestellt worden, was Pflicht sei. Um überhaupt ausreichende Fundamente für den Turm zu gießen, musste zudem das Grundwasser gesenkt werden. Rund 15.000 Kubikmeter, so schätzt Kiwatrowski mit seiner langjährigen Berufserfahrung, wurden in die Kanalisation gepumpt. Die Nebenwirkungen ließen nicht lange auf sich warten: Risse in Wänden und Böden von Kiwatrowskis Haus. Inzwischen geht der Bauunternehmer in Ruhestand sogar davon aus, dass der Turm komplett illegal errichtet wurde. Zumindest könnte man auf diese Idee kommen. Denn trotz intensiven Bemühens der Anwälte haben sie die angeforderten Unterlagen und Belege der Baufirmen noch immer nicht bekommen.

Auch glaubt Kiwatrowski, dass O2 gern einen Schadenersatzprozess verhindern würde. Zwar habe es noch keine konkreten Angebote gegeben, doch „durch die Blume", so der Geschädigte, habe man durchaus Hinweise auf eine außergerichtliche Einigung gemacht. Darauf aber will sich Kiwatrowski auf gar keinen Fall einlassen. Ihm geht es weniger ums Geld als vielmehr ums Prinzip. Die tatsächlichen Schäden an seinem Haus schätzt er auf etwa 30.000 Euro.

Die Wasserbehörde, so der Landkreis in einem Schreiben ans Gericht, habe die wasserrechtliche Erlaubnis erteilt, was notwendig sei, da das Baugebiet in einem Wasserschutzgebiet liege. Allerdings heißt es weiter ausdrücklich: „Sie beinhaltete allerdings nicht die Genehmigung, das Grundwasser im Bereich des Bauvorhabens abzusenken."

Schadenersatz ist das Eine. Etwas ganz anderes ist aber die Frage, ob es überhaupt rechtens war, den Turm zu errichten. Und da ist sich Kiwatrowski ganz sicher: „Dieser Mast hätte so nie gebaut werden dürfen." Sollte das Gericht das genauso sehen, könnte es für den Landkreis teuer werden. Denn der musste dann, da er die Genehmigung erteilt hat, den Mast auf eigene Kosten wieder abbauen. Einmal hat Kiwatrowski schon zum Teil Recht bekommen. So entschied im Juli 2007 das Verwaltungsgericht Stade, der Turm dürfe nicht in Betrieb gehen, solange keine ausreichenden Sicherungen gegen Eisschlag im Winter eingerichtet worden sind. Immerhin steht der Mast nur lächerliche 3,90 Meter vom Privatgrundstück entfernt. Doch geschehen sei seitdem nichts. Auch würden sich Gemeinde und Landkreis widersprechen, behauptet Kiwatrowski. So habe Bürgermeisterin Susanne Geils des öfteren öffentlich behauptet, die Gemeinde habe kein OK für den Bau gegeben. So auch bei einer Übergabe von fast 2000 Unterschriften gegen den Mast im Mai 2007.

In einem Schreiben an das Verwaltungsgericht Stade vom September letzten Jahres aber schreibt der Landkreis: „Die Gemeinde hat ihr Einvernehmen gemäß § 36 Abs. 1 BauGB erteilt." „Da sagt doch einer von beiden die Unwahrheit", mutmaßt Kiwatrowski. „Nicht unbedingt", warnt der Ritterhuder Ortsplaner Michael Kessler vor eiligen Schlüssen. Die Gemeinde habe lediglich bei der Planungsordnung etwas zu sagen. Dabei gehe es im Grundsatz um die Frage, ob eine Bebauung in besagtem Gebiet überhaupt möglich sei. Und da es sich hier um ein Industriegebiet handele, habe die Gemeinde ihr Einvernehmen nach langer Diskussion erteilt. Ausschlaggebend sei dabei auch ein Gutachten des Ecolog-Instituts gewesen, das die Strahlenbelastung als extrem gering einstuft. Bei der Planungsordnung gehe es aber überhaupt nicht um Abstände zu anderen Grundstücken oder Bauausführungen oder ähnlichem. Das entscheidet allein der Landkreis. So sagt Kessler auch ganz klar: „Für die Gemeinde Ritterhude ist der Mast kein großes Thema mehr."