Osterholzer Kreisblatt vom 12.05.2009

Gefahr in der Hosentasche

Medizinphysiker Dr. Leberecht von Klitzing warnt im Rathaus der Kreisstadt vor den Folgen der Mobilfunkstrahlung
 

Von Klaus Grunewald

Osterholz-Scharmbeck. Angst vor dem grossen Manitu? Die für die Mobilfunkindustrie und die Kommunalpolitik reservierten Plätze auf dem Podium blieben jedenfalls verwaist, als der Medizinphysiker Dr. Leberecht von Klitzing am Freitagabend im Sitzungssaal des Rathauses gegen die Gefahren der elektromagnetischen Hochfrequenzstrahlungen zu Felde zog.

Der 70-jährige, wohl populärste Mobilfunkkritiker Deutschlands war einer Einladung der Bürgerinitiative Elektrosmog Osterholz (BEO) gefolgt. Deren Vorsitzender Peter Mehring zeigte sich vor rund 30 Zuhörern enttäuscht, dass sowohl Mobilfunkunternehmen als auch Bürgermeister und Landrat der Diskussionsveranstaltung ohne Begründung ferngeblieben waren. Dabei, so Mehring, hätte man zum Beispiel gerne etwas über das neue Mobilfunknetz für Polizei und Rettungsdienste gewusst, das demnächst im Kreisgebiet in Betrieb genommen werden solle. Der BEO-Chef: "Wir wollen es nicht verhindern, aber über die Basisstationen mitreden. Sie dürfen auf gar keinen Fall in dicht besiedelten Wohngebieten installiert werden." Leider aber werde das Projekt von der niedersächsischen Landesregierung als geheim eingestuft.

Für Leberecht von Klitzing ein Beleg mehr dafür, dass Politik und Industrie die offene Diskussion über die zunehmende Belastung der Menschen, Tiere und der Natur durch elektromagnetische Strahlungsfelder scheuten wie der Teufel das Weihwasser. Das unterstrich der Physik-Mediziner, der von 1975 bis 2002 an der Uni Lübeck lehrte, dort aber wegen seiner unerbittlichen Kritik an der Verharmlosung der Strahlungsgefahr für den Menschen in Ungnade fiel und seitdem als freier Wissenschaftler und hoch begehrter Referent durch die Republik tourt, auch auf der Podiumsdiskussion im Sitzungssaal des Rathauses

Keinerlei Verständnis hat er für die von der Industrie gebetsmühlenartig vorgetragenen Hinweise auf die Grenzwerte. Das Argument, es bestehe keine Gefahr, würden sie unterschritten, sei schlichtweg falsch und Augenwischerei. Die Grenzwerte, so von Klitzing, seien 1998 von einem privaten Verein festgelegt worden, ohne die biologische Wirkung elektromagnetischer Strahlungen zu berücksichtigen. Die BEO verweist in diesem Zusammenhang auf "unabhängige Forschungsergebnisse" an vielen Universitäten. Sie seien so erdrückend, dass die Mobilfunkindustrie nun mit Hilfe kostspieliger Werbung versuche, dagegenzuhalten und die Menschen in Sicherheit zu wiegen. Politiker riefen zwar ständig zum Schutz der Kinder auf. Gleichzeitig aber stellten Bund und Länder Gelder zur Einrichtung kabelloser PC-Funknetze in den Schulen zur Verfügung. Die Bürgerinitiative verweist in diesem Zusammenhang auch auf eine Studie über die Schädigung von Spermien durch elektromagnetische Felder. So warne beispielsweise die Österreichische Ärztekammer: "Das Handy in der Hosentasche oder SMS unter der Schulbank versenden, könnte die Fruchtbarkeit beeinträchtigen und sollte daher unterlassen werden."

Der Lübecker Medizinphysiker räumte am Freitagabend auch mit der "Mär" auf, die Kommunalpolitik habe keine Chance, etwa Sendemasten zu verhindern. Natürlich könne ein Bürgermeister innerhalb von sechs Wochen dem Vorhaben der Industrie widersprechen, eine Sendeanlage an einem bestimmten Ort zu errichten. Und natürlich lasse es die Bauleitplanung zu, dass Veränderungssperren ausgesprochen werden, die Sendemasten verhinderten. Leberecht von Klitzing: "Wenn der Bürgermeister will, kann er sehr viel machen. Im Übrigen gehört der Mobilfunk laut Grundgesetz nicht zum öffentlichen Versorgungsauftrag auf dem Gebiet der Telekommunikation."

Osterholzer Kreisblatt vom 13.05.2009

Mielke verwundert über Aussagen
Landrat reagiert auf Bürgerinitiative

Landkreis (lr). Landrat Dr. Jörg Mielke hat auf unseren gestrigen Bericht über eine Informationsveranstaltung der "Bürgerinitiative Elektrosmog Osterholz" (BEO) reagiert. Dabei hatte sich dessen Vorsitzender Peter Mehring enttäuscht gezeigt, dass der Verwaltungschef trotz einer Einladung an ihn der Veranstaltung ohne Begründung ferngeblieben war und gewünschte Informationen über das neue digitale Funknetz für Polizei, Feuerwehren und Rettungsdienste von der Landesregierung als geheim eingestuft worden seien.

Landrat Dr. Mielke merkt hierzu an, dass er zu der Veranstaltung erst kurzfristig zwei Wochen vorher eingeladen wurde. Aufgrund von Terminkollisionen habe er seine Teilnahme schriftlich abgesagt. Gleichzeitig habe er der BEO ein Gespräch über den Planungsstand zum Digitalfunk angeboten.

Zu den Aussagen des Medizinphysikers Dr. von Klitzing hinsichtlich der Einflussmöglichkeiten auf die Mobilfunkplanung führt der Landrat aus, dass das mit den Mobilfunkbetreibern vertraglich vereinbarte Abstimmungsverfahren keine rechtliche Gegenwehr gegen bestimmte Standortwünsche der Betreiber ermögliche.

Auch der Erlass einer Veränderungssperre sei kein Mittel gegen geplante Mobilfunkmasten, da diese an bestimmte Bedingungen geknüpft sei. Es sei klar geregelt und durch höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt, dass Mobilfunkanlagen im Außenbereich privilegiert seien und im Innenbereich mit vorhandenem Bebauungsplan als fernmeldetechnische Nebenanlage ebenfalls grundsätzlich zulässig seien, führte Mielke aus.

 

Richtigstellung des BEO Vorstands:

 

Es ist richtig, dass die Einladung am 24. April 2009 per Mail zugestellt wurde. In der Einladung hat der BEO Vorstand um die Entsendung eines kompetenten Mitglieds der Kreisverwaltung gebeten, falls der Landrat selber keine Zeit hat.

Der BEO Vorstand hat sich am 12. März 2009 erstmals an die „Projektgruppe Digitalfunk BOS Niedersachsen“ mit der Bitte um Informationen zu den geplanten Standorten für das BOS Funksystem im LK Osterholz gebeten. Am 16. März wurde unser Wunsch zurückgewiesen mit der Begründung, das es sich hierbei um ein „Sicherheitsfunknetz“ handele. Informationen könnten nur im Zusammenwirken mit der Kommune erteilt werden. Nach einem Widerspruch zu dieser Vorgehensweise hat sich der BEO Vorstand am 26. März schriftlich an den Landrat des Landkreises, Herrn Dr. Mielke, mit der gleichen Bitte gewandt.

Am 4. April wurde dem BEO Vorstand telefonisch mitgeteilt, dass der Zuständige Sachbearbeiter seinen Urlaub nimmt. Ab 27. April sollte dann kurzfristig ein Termin für das Gespräch vereinbart werden.

Mit Datum 5. Mai erwähnte Landrat Dr. Mielke in seiner schriftlichen Absage zur Teilnahme an der Veranstaltung mit Dr. Lebrecht von Klitzing, dass sich der zuständige Sachbearbeiter des LK nun kurzfristig zwecks Terminvereinbarung melden werde.

Bis heute 13. Mai 2009 hat es keine Terminvereinbarung gegeben.

 

Peter Mehring

1. Vorsitzender BEO

 

Tel. 04791 963000